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Trends im Interaction Design 2010

Was war? Was bleibt? Und was kommt im neuen Jahr? Wie sehen gelungene User Interfaces am Ende dieses Jahres aus? Diese Frage beschäftigt unzählige Designer und Entscheider zum Jahresauftakt ganz besonders. Wir wagen einen Blick in die Zukunft und zeigen, welche Trends sich im Bereich Web- und Interaction-Design im Jahr 2010 abzeichnen und wie Trends überhaupt entstehen.

Im Allgemeinen entstehen Trends, wenn jemand den Mut besitzt, etwas auszuprobieren, Konventionen zu brechen und daraus etwas Neues zu generieren. Für das Beispiel Webdesign im Speziellen be- deutet das, dass Nutzer die Aspekte weiter kommunizieren oder in eigenen Projekten adaptieren, die sie für gut befinden. Schnell ent- steht eine wellenartige Kommunikationsbewegung – ein Trend.

Doch nicht alles, was aus Expertensicht einen vermeintlichen Trend

darstellt, wird von allen Zielgruppen gleich beurteilt. Widerspricht

das Neue zum Beispiel den Zielsetzungen oder Fähigkeiten vieler

Nutzer, so ist dessen Anwendung kontraproduktiv. Auch die tech-

nologischen Voraussetzungen müssen passen. So hat etwa die

zunehmende Verbreitung von Smartphones wie dem iPhone dazu

geführt, dass das Thema Augmented Reality – also die Verschmel-

zung der digitalen und der realen Welt – nicht mehr fiktiv, sondern

auch faktisch einen Trend darstellt.

Ein wesentlicher Faktor, der nicht außer Acht gelassen werden

darf, ist das unternehmerische Denken. Unterstützt der vermeint-

liche Trend nicht aktiv die wirtschaftlichen Ziele, könnte er zum

„Rohrkrepierer“ werden.

Reduzierung

Betrachtet man Websites von 2009, ist ein klarer Haupttrend zu er-

kennen: die Reduzierung. Früher war das lückenlose Anbieten aller

Informationen, die relevant sein könnten, das Maß aller Dinge. Das

hat sich geändert: Nicht mehr die Quantität entscheidet über den

Erfolg einer Website, sondern deren Prägnanz, Relevanz und Qua-

lität.

Zurückzuführen ist dies auf die rasante Eigendynamik der In-

formationsgesellschaft: Angesichts des Wachstums des Gesamtan-

gebots sind das Nachlassen der Aufmerksamkeitsspanne für

einzelne Angebote und die mangelnde Toleranz der Rezipienten

nur konsequent.

Dies trifft besonders für das Web zu, wo das Wegklicken mühe-

los und schnell funktioniert. Die Anwender sind nicht mehr bereit,

lange nach Informationen zu suchen oder endlose Texte zu lesen.

Sie wollen alles sofort und ohne Umwege. Dieser Trend wird sich

2010 noch verschärfen. Designer müssen dementsprechend der

Informationsfülle Herr werden – sichten, priorisieren und reduzie-

ren lautet die Devise.

Der Trend führt weg von umfangreichen Portalen hin zu Ein-

Seiten-Layouts und Microsites, die ein spezielles Bedürfnis bedie-

nen. Auch der Einsatz von Übersichts- oder Kategorieseiten wird

2010 zurückgehen. Mega-Dropdown-Navigationen zum Beispiel

führen den Besucher sofort zum Ziel.

In der konkreten Seitengestaltung sind weitere Indikatoren für

den Trend zur Reduzierung erkennbar. Beispiele hierfür sind der

steigende Gebrauch von Weißräumen sowie zunehmend größere

Bilder und Schriftgrößen. Auch der Einsatz von Bewegtbild und

Animation nicht nur zur effizienten Informationsvermittlung, son-

dern auch zur aktiven Wahrnehmungssteuerung wird 2010 weiter

zunehmen.

Kontext

Ein weiterer erkennbarer Trend ist die zunehmende Beachtung des

Anwendungskontextes. Gab man sich früher mit einfachen Ziel-

gruppen- und Aufgabendefinitionen zufrieden, müssen heute we-

sentlich mehr Fragestellungen beantwortet werden. Designer sind

gezwungen, sich intensiver mit der Zielgruppe auseinanderzuset-

zen, wenn nicht sogar diese in den Gestaltungsprozess miteinzu-

beziehen.

Neben traditionellen Fragestellungen wie „Wer nutzt das An-

gebot?“ und „Welche Aufgaben verfolgt er?“ wird die Frage „Wo

und wie nutzt er das Angebot?“ zunehmend an Bedeutung gewin-

nen. Insbesondere die bereits erwähnte wachsende Verbreitung

von internetfähigen Mobiltelefonen und die immer weiter vernetzte Technik sorgen dafür, dass der Kontext beziehungsweise der

Standort klar an Bedeutung gewinnen. Location-based Services,

Augmented Reality und Mobile sind Begriffe, die 2010 sicherlich

häufiger fallen werden und an Relevanz zunehmen.

Individualisierung

Anwender geben vermehrt private Daten preis. Das ist nichts Neues

und das Web 2.0 hat dafür gesorgt, dass sie dies auch freiwillig und

ohne Bedenken tun. Hat das letzte Jahr insbesondere für den Hype

des Social Web gesorgt, wird sich dieser Trend 2010 voraussichtlich

auf eine höhere Ebene bewegen. So wird in Zukunft User-generated Content nicht mehr zur reinen

Kommunikation dienen, sondern vielmehr dazu, die persönliche

Nutzungserfahrung zu optimieren – die Angebote werden stärker

individualisiert. Da die Seiten immer dynamischer werden, ist die

Realisierung persönlicher Services nicht weit entfernt.

Implizit und explizit gemachte

Angaben, seien es Nutzungs-

daten, persönliche Daten oder

andere Webprofile, werden zu-

nehmend dafür sorgen, dass

Webseiten dem User ange-

passt werden müssen und

nicht umgekehrt.

Daraus resultieren nicht nur ei-

ne bessere User-Experience,

sondern aufgrund der indivi-

duellen Ansprache auch ein ef-

fektiveres Business. Marketing-

mittel wie Produktempfehlungen können so ohne signifikante Streuverluste einzelnen

Nutzergruppen zugänglich gemacht werden.

Auch die Kommunikationsrichtung wird sich allmählich verän-

dern. Ist es momentan so, dass Informationen selbstständig be-

schafft werden müssen, wird es aufgrund der kontinuierlichen

Datenspeisung in Zukunft möglich sein, den Nutzer aktiv zu infor-

mieren. Dadurch, dass das Internet seinen stationären Charakter

verloren hat und zunehmend an das Individuum selbst gebunden

ist, kann dies nun immer und überall geschehen.

Vernetzung

Ein weiterer Trend wird die Vernetzung der einzelnen Services und

Seiten sein. Da Portalbetreiber vermehrt APIs oder Web Services der

Allgemeinheit und anderen Webseitenbetreibern zur Verfügung

stellen, werden Seiten nicht mehr isoliert betrachtet, sondern als

Zugang zu unterschiedlichsten Informationen und Services agie-

ren. Vorreiter wird hier sicherlich die nahtlose Integration des Social

Web sein.

Auch das persönliche Arbeitsumfeld mit Anwendungssoftware

und Daten wird sich zunehmend in das Web verlagern. Das so ge-

nannte Cloud Computing [1] ist im Vormarsch. Dies hat nicht zuletzt

Google mit dem heiß ersehnten Launch von Wave und der Präsen-

tation des neuen Betriebssystems Chrome OS demonstriert. Nicht

zuletzt der wachsende Markt der Rich Internet Applications und der

Software as a Service (kurz SaaS) lassen einen klaren Trend erken-

nen.

Kollaboration

Veränderungen sind auch bei den Gestaltungsprozessen zu beob-

achten. Da das Web konstant an Dynamik und Komplexität zulegt,

wird es mehr denn je erforderlich, in interdisziplinären Teams zu

agieren. Designer arbeiten nicht mehr alleine, sondern mit den ei-

gentlichen Anwendern und den Kunden zusammen. Der Grund

liegt auf der Hand: Sind Gestalter meist an Innovation interessiert,

haben die Nutzer letztendlich nur ihren Mehrwert beziehungsweise

eine effiziente Bedürfnisbefriedigung im Sinn. Betreiber von Web-

seiten interessieren vornehmlich eine hohe Konversionsrate und

wirtschaftliche Erfolge.

Die Kollaboration und aktive Einbeziehung aller Beteiligten in

den Entwicklungsprozess stellt sicher, dass die Lösungen allen Par-

teien und somit auch allen Zielen gerecht werden. Die immer weiter

verbreitete agile Entwicklungsmethode SCRUM ist nur ein Beweis

für diese Tendenz.

Prototyping

Prototypen ermöglichen es, frühzeitig und höchst effizient Desi-

gnvorschläge zu entwickeln, die dann im Team abgestimmt und

am repräsentativen Nutzer getestet werden können. Dies minimiert

das Risiko von Fehlentwicklungen und reduziert Kosten bereits vor

der eigentlichen Programmierung. Insbesondere durch die stei-

gende Komplexität von Internetanwendungen und den Rückgang

statischer Sites ist erkennbar, dass das traditionelle Screendesign

sich wandelt.

Gestaltet wird nicht mehr das Aussehen einzelner Screens, son-

dern eine positive Nutzungserfahrung – die so genannte User-

Experience. Die neusten Trends wie das automatische Nachladen

von Inhalten beziehungsweise der Verzicht auf das klassische Pa-

ging, die Verwendung nicht modaler Dialoge, intelligente Formu-

lare mit vorausschauendem Verhalten und der zunehmende

Einsatz von Transparenzen zur Darstellung überlagerter Elemente

demonstrieren die wachsende Dynamik im Interface-Design. Da

nur Prototypen diese Anforderungen vor der eigentlichen Umsetzung abbilden können, wird sich die Methodik des Prototyping im Jahr 2010 zum Quasi-Standard entwickeln.

Testing

Parallel zur Prototypen-Entwicklung wird auch das Testen weiter an Bedeutung gewinnen. Zurückzuführen auf eine steigende Sensibilisierung der Projektbeteiligten für den Umstand, dass nicht sie zu den repräsentativen Anwendern gehören, deren Feedback aber für eine erfolgreiche Entwicklung gebraucht wird, ist schon jetzt ein Zuwachs an angewandten Usability-Methoden zu verzeichnen.

Dieser Trend wird sich 2010 noch verstärken. Die gebrauchstaugliche Gestaltung von User-Interfaces ist durch neue Tools kostengünstiger, schneller und vor allem einfacher geworden. Durch Loop11 etwa lässt sich binnen kürzester Zeit ein asynchroner Remote-Usability-Test aufsetzen, durchführen und auswerten. Auch die Entscheidung zwischen Designvarianten wird nicht mehr „aus dem Bauch“ heraus, sondern anhand gemessener Ergebnisse getroffen. Googles kostenfreier Website Optimizer beispielsweise ermöglicht es, Tests unterschiedlicher Varianten effizient durchzuführen und verschiedene Website-Versionen gegeneinander laufen zu lassen. Webgestützte Evaluation ist ein Markt, der dieses Jahr sicherlich weiter wachsen wird.

Fazit

Noch nie zuvor waren so viele Veränderungen und Bewegungen in unterschiedlichsten Bereichen des Webs zu spüren. Die hier aufgeführten Trends stellen nur einen Teil dessen dar, was sich in naher Zukunft verändern wird. Welche Trends davon wirklich von Dauer sein werden, wird allerdings allein die Zukunft zeigen. Bis dahin sollte man sich stets vor Augen halten: Trends entstehen dann, wenn jemand den Mut besitzt, etwas anders zu machen und über den Tellerrand zu sehen. Warum nicht selbst experimentieren, evaluieren und eigene Trends kreieren? 

Quelle

T3N Magazin

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Autor

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Ich gehe Projekte mit einer strategischen und nutzerzentrierten Perspektive an. Viele Unternehmen und Organisationen haben durch meine Unterstützung ihre digitalen Angebote mit einer gezielten UX-Strategie erfolgreich verbessert. Mein Wissen umfasst Bereiche von der Kognitionspsychologie bis hin zur Typografie und verbindet somit fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse mit den gestalterischen Aspekten des Designs. Meine Fähigkeiten nutze ich jetzt um mittelständischen Unternehmen in der Digitalisierung zu unterstützen. Durch schnelle UX-Prozesse entwickle ich Konzepte und Strategien damit sie auch online ihre Geschäftsziele erreichen.

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